Dienstag, 30. Dezember 2014

Gutachten des Finanzministeriums in Auszügen und Kommentar zu Pegida

Seit meinem letzten Beitrag ist die größte Neuigkeit den Rundfunkbeitrag betreffend wohl das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen mit dem Titel 'Öffentlich-rechtliche Medien – Aufgabe und Finanzierung', das eine grundlegende Reform des Rundfunksystems mit stärkerer Anbindung an die Grundversorgung nahelegt und in der Vorweihnachtszeit öffentlich gemacht worden ist. Es ist zu früh, darin einen ersten Sargnagel für den Rundfunkbeitrag zu sehen, denn Rundfunk ist Ländersache. Da der Bund in dieser Frage nichts zu melden hat, wird dieses Gutachten wie so viele andere auch erst einmal totgeschwiegen werden. Es bietet keine Rechtsgrundlage, aber einen hervorragenden Beleg für die Strittigkeit der Abgabenregelung in ihrer bestehenden Form, und kann daher als weiterführendes Argument verwendet werden. Es folgen einige der zitierfähigsten Auszüge für diejenigen, die noch an ihrer Klageschrift arbeiten oder auf Quellensuche sind; sie ersetzen aber nicht das Lesen des gesamten Textes, der einige sehr interessante Tabellen und Referenzen aufweist: http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Broschueren_Bestellservice/2014-12-15-gutachten-medien.pdf?__blob=publicationFile&v=4

"Die technischen Gründe, mit denen einst das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gerechtfertigt wurde, sind heutzutage weitgehend verblasst. Die Zahl der Programmkanäle ist technologisch bedingt stark angestiegen, die Eintrittskosten für neue Programmanbieter sind rapide gesunken, durch die verstärkte Nutzung des Internets als Informationsmedium kommt es zu Überlappungen zwischen Print- und Rundfunkmarkt. Angesichts der technischen Entwicklung gibt es kaum noch Gründe, warum der Rundfunkmarkt wesentlich anders organisiert sein sollte als der Zeitungsmarkt, der durch ein breites privates Angebot und Subskriptionsmodelle gekennzeichnet ist. Nach Ansicht des Beirats gibt es daher gute Gründe für einige Reformen im Rundfunkbereich. Erstens sollte ein zukunftsfähiges System des öffentlichen Rundfunks dem Subsidiaritätsprinzip mehr Gewicht geben; die öffentlich-rechtlichen Anbieter sollten nur da auftreten, wo das privatwirtschaftliche Angebot klare Defizite aufweist. Zweitens sollte im öffentlichen Rundfunk auf die Werbefinanzierung komplett verzichtet werden, da ansonsten die Fehlanreize der Programmgestaltung, die mit dem öffentlichen-rechtlichen Rundfunk beseitigt werden sollen, gleichsam durch die Hintertür wieder eingeführt werden. Drittens sollte sich der Gesetzgeber entweder für eine klare Finanzierung aus dem allgemeinen Haushalt oder für eine moderne Nutzungsgebühr, die beispielsweise dem Subskriptionsmodell im Zeitungsmarkt folgt, entscheiden. Viertens ist eine größere Transparenz durch die Publikation von Kenngrößen dringend notwendig, um die Kosteneffizienz im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu fördern." (Zusammenfassung, S. 6)

"Mit der Erstellung von Pressetexten auf ihren Informationsseiten im Internet haben sich die öffentlich-rechtlichen Medien jüngst in eine unmittelbare Konkurrenzsituation mit klassischen Printmedien begeben. Das Eintreten eines gebührenfinanzierten und nicht gewinnorientierten Konkurrenten in die Welt der journalistischen Printmedien und Informationsdienste hat nachhaltige Wirkungen auf die Struktur und Funktionsweise der Zeitungsmärkte. Die ohnehin schwierige Situation im Zeitungsmarkt wird durch die Angebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verschärft. Das Eintreten von Dienstleistern, die mit einer starken Finanzierung und nicht profitorientiert um Marktanteile konkurrieren, verändert grundlegend die Natur des Wettbewerbs." (S. 7)

"Der Marktanteil von ARD, ZDF und den dritten Programmen der ARD, die vor Einführung des Privatfernsehens 1984 den Markt alleine beherrschten, lag 2013 nur noch bei 38 Prozent [Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF)]. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk verliert nicht nur Marktanteile an private Programme, sondern verliert insgesamt durch das Internet an Bedeutung. Das Internet bietet dabei Sendeformate, die den klassischen Hörfunk- und Fernsehmedien vergleichbar sind und vermehrt über den Fernseher abgespielt werden können." (S. 8)

"Die veränderten technologischen Rahmenbedingungen und die dadurch ausgelösten Änderungen im Nutzerverhalten erfordern aus ökonomischer Perspektive eine Anpassung des Rundfunkmodells.
Solche Alternativmodelle zum jetzigen System sind – entgegen weitverbreiteter Auffassung – verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen." (S. 9)

"Ein Vergleich der Struktur und des Grads der öffentlichen Regulierung des Zeitungsmarkts mit der Gestaltung des Angebots von Hörfunk- und Fernsehprogrammen zeigt eine auffällige Asymmetrie. Der deutsche Gesetzgeber überlässt die Bereitstellung von journalistischen Informationsdiensten im Bereich der Printmedien weitgehend dem freien Marktgeschehen. Dort konkurrieren in Deutschland lokal und überregional im Allgemeinen mehrere private Anbieter von Zeitungen und Zeitschriften. Ein öffentliches Angebot einer öffentlich-rechtlichen Tageszeitung, produziert durch eine aus Gebühren finanzierte Zeitungsredaktion, gibt es nicht. (...) Daneben gibt es das verfassungsrechtlich wiederholt gestärkte und durch Zwangsabgaben finanzierte System des öffentlichen Rundfunks mit seinem eigenen Aufsichts- und Finanzierungssystem. Diese sehr unterschiedlichen Marktstrukturen sind überraschend. Printmedien und Rundfunkprogramme sind Produkte, die große Ähnlichkeiten aufweisen, auch wenn die Nutzerkreise unterschiedlich sind." (S. 12)

"Angesichts der heute bestehenden Parallelen in den technologischen und wirtschaftlichen Grundlagen beider Produktkategorien ist die Unterschiedlichkeit in der Gestaltung und Regulierung von Presse und Rundfunk durch den Gesetzgeber überraschend. Sie kann letztlich nur historisch erklärt werden, aus einer Zeit, in der die technologischen Unterschiede zwischen den Produktkategorien groß waren. Sie kann heute unter ökonomischen Gesichtspunkten damit nicht mehr begründet werden." (S. 13)

"Bereits im ersten Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 196114 musste sich das Gericht mit konkurrierenden Nutzungsansprüchen über damals in einem technischen Sinne noch absolut knappe Sende- und Übertragungsmöglichkeiten auseinandersetzen. Das Gericht billigte die überkommene, nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte Organisationsform der Anstalt des öffentlichen Rechts, verlangte jedoch Staatsferne und im Sinne eines „Binnenpluralismus“ eine ausgewogene Programmgestaltung. Insbesondere die Organisationsform der Anstalt des öffentlichen Rechts wird nur als eine mögliche Form gesehen." (i.d.F. Zitat BVerfGE 12, 205 (262), S. 14)

Zur Problematik dieser Rechtsprechung gehört es, dass die Basis der rechtsdogmatischen Folgerungen ausschließlich mit Eigenzitaten belegt wird und weder ökonomische, sozialwissenschaftliche oder sonstige Fachliteratur einbezieht, der Begründungsduktus mithin zunehmend selbstreferentiell erscheint. Das alles hat entsprechende Auswirkungen auf die rundfunkverfassungsrechtliche Literatur und damit die medienrechtliche Diskussion insgesamt gehabt. (S. 18)

"Mit dem Bedeutungsverfall der Informationsverbreitung über knappe Rundfunkkanäle verringern sich die politisch-gesellschaftlichen Risiken, die mit einem Übergang zu einer stärker konkurrenzwirtschaftlichen Organisation des Fernsehens einhergehen. Und auch mit der Entstehung von Medien mit ähnlicher Suggestivkraft verliert dieses Argument für die Sonderstellung
des öffentlichen Rundfunks an Bedeutung." (S. 30)

"Die Übernahme von Leistungen durch den öffentlichen Sektor und ihre Finanzierung durch Zwangsabgaben stehen unter dem Legitimierungszwang des Subsidiaritätsprinzips. Dieser Schluss ergibt sich aus grundlegenden ökonomischen Überlegungen. Legitim ist die Leistungserbringung durch den öffentlichen Sektor nur dann, wenn ein entsprechendes Leistungsangebot nicht privatwirtschaftlich-konkurrenzwirtschaftlich zu organisieren ist, und zugleich die Qualität eines öffentlichen Angebots im Verhältnis zu den Kosten einen hinreichenden Mehrwert erbringt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sollte deshalb als Anbieter nur dort auftreten können, wo die Privaten selbst bei Setzung eines geeigneten regulatorischen Umfeldes ein gesellschaftlich und bildungspolitisch gefordertes Angebot nicht von sich aus anbieten würden." (S. 31)

"Entweder man betrachtet den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als ein Gut, das allen Bürgern gleichermaßen zur Verfügung gestellt werden soll. Dann ist eine Finanzierung über Steuern sachgerecht, da sich damit – im Gegensatz zu den jetzigen Pflichtbeiträgen – eine Belastung nach der Leistungsfähigkeit gewährleisten lässt. Oder man trägt den veränderten technologischen Rahmenbedingungen Rechnung, die die Bereitstellung einer breiten Palette von Programmen als Clubgüter ermöglichen, und finanziert diese Programme durch nutzungsabhängige Gebühren." (S. 34f.)

Zum Jahresabschluss möchte ich mir erlauben, ein Thema anzuschneiden, das aus dem Ausland betrachtet das beherrschende Thema in Deutschland zu sein scheint: die Bewegung 'Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes', die es zum Zeitpunkt meiner Abreise noch gar nicht gab. Dabei verwundert zweierlei: Die enorme Geschwindigkeit, mit der sie an Popularität gewonnen hat, und die außergewöhnliche Härte, mit der sie von Politik und Medien verdammt wird. Es liegt nahe, hier einen Zusammenhang zu sehen: da 'Pegida' ein Symptom für ein wachsendes Unbehagen in den Schichten der Gesellschaft ist, die sich selbst wohl als liberal einstufen würden, trägt die vehemente Kritik zu ihrer Legitimierung bei. Die - vornehmlich in Westdeutschland beheimateten - Presseorgane, die sich darüber lustig machen, dass Pegida-Anhänger sie für Lakaien und Sprachrohre der Politik halten, führen dadurch selbst - ob gewollt oder ungewollt - die Abschottung dieser Leute herbei, wodurch es zu einer Spaltung der Öffentlichkeit kommt, die nur schwer wieder rückgängig zu machen sein wird. Henryk M. Broder hat darüber einen interessanten Artikel veröffentlicht (http://www.welt.de/debatte/henryk-m-broder/article135586551/Das-deutsche-Festival-des-Wahnsinns.html), der allerdings umgehend als Propaganda für Pegida diffamiert worden ist (https://www.freitag.de/autoren/mopperkopp/der-pegida-populist) - wie überhaupt im Umgang mit diesem Thema vor allem das Fehlen von Distanz und Sachlichkeit verwundert.

Erstaunlich, mit welcher Bereitwilligkeit Ostdeutschen 25 Jahre nach dem Mauerfall rechtsradikale Sympathien nachgesagt werden, so als ob es diese in Westdeutschland (etwa im Ruhrgebiet bezüglich den aus Südosteuropa zuwandernden Roma) nicht gäbe und Ostdeutschland quasi der Schandfleck eines ansonsten hehren demokratischen Landes sei. Dabei ist das Kennzeichen einer funktionierenden Demokratie, dass man sich auf Diskussionen mit denen einlässt, die anderer Meinung als man selbst sind. Erstaunlich auch, wenn etwa in der FAZ den Dresdnern politische Naivität unterstellt wird, als ob diese immer noch im Tal der Ahnungslosen lebten, wenn die Bürger dieser Stadt - was in keinem Artikel über Pegida, den ich gelesen habe, erwähnt wird - sich jeden Februar zu tausenden versammeln, um eine Menschenkette um den Stadtkern zu bilden, damit Rechtsradikale daran gehindert werden, dessen Zerstörung im II. Weltkrieg für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Wenn zu lesen ist, dass Sachsen den bundesweit niedrigsten Anteil muslimischer Zuwanderer hätte, und die Dresdner somit gar keine Veranlassung hätten, sich vor diesen zu fürchten, belegt dies eindrucksvoll, dass die Verfasser dieser Zeilen nie in Dresden-Neustadt gewesen sind - einem multikulturellen Viertel, das den Vergleich mit Kreuzberg nicht unbedingt scheuen muss, mit allen positiven wie negativen Begleiterscheinungen. 

Das bedeutet allerdings nicht, dass die Kritik an Pegida nicht berechtigt wäre - denn um beim Thema Neustadt zu bleiben: ohne dieses Viertel wäre Dresden nicht die europäische Stadt, die es sein will. Ein Plädoyer gegen 'Islamisierung' ist in einer Metropole völlig fehl am Platz. Mir persönlich geht diese Kritik nicht weit genug, weil sie oberflächlich und gehässig ist, und nicht vertieft, dass Pegida schon im Ansatz keine Bürgerbewegung ist, sondern ein diffuser Verein ohne klare politische Agenda, dessen Sinn sich mir auch bei näherer Betrachtung nicht erschließt. Ich bin Teil einer Bürgerinitiative gegen den Rundfunkbeitrag (gewesen), die zu diesem Thema Petitionen an den betreffenden Landtag gerichtet und dazu Unterschriften gesammelt hat. Das bedeutet, dass wir uns zu verschiedenen Gelegenheiten auf die Straße gestellt haben, um Unterschriften zu sammeln und das Gespräch mit unseren Mitbürgern zu suchen, dass wir Informationsveranstaltungen durchgeführt haben, dass wir Öffentlichkeitsarbeit geleistet haben, dass wir uns überlegt haben, wie ein gerechteres Modell der Rundfunkfinanzierung aussehen könnte. Obwohl der Rundfunkbeitrag noch ein übersichtliches Thema ist, verlangt es viel Zeit und Einsatz, sich in dieses Thema einzulesen, um Fragen danach beantworten zu können, warum er rechtlich und politisch falsch ist, und auf welche Art und Weise man sich dagegen zur Wehr setzen kann. Bei diesem wie bei jedem anderen politischen Thema ist es nicht damit getan, eine Menge Leute in Bewegung zu setzen. 

Ein diffuser Sammelbegriff wie 'Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes', der schon im Ansatz zeigt, wie krude die dahinter stehende Denkweise sein muss, schadet themenorientierten Bürgerinitiativen, wenn darunter alle möglichen sozialen und politischen Probleme benannt werden. Dadurch fügt man denen, die sich substantiell mit einem dieser Themen befassen, schweren Schaden zu, weil diese Gruppen mit 'Pegida' assoziiert werden. Dies ist dann ein gefundenes Fressen für die Politik: sie kann sich aufgrund des Mangels an fundierten Inhalten selbst die Absolution dafür erteilen, nichts auf das zu geben, was im Rahmen solcher Veranstaltungen angesprochen wird. 

Jeder, der sich von der bundesdeutschen Politik nicht vertreten und nicht ernstgenommen fühlt, hat meine volle Sympathie. Das Jahr 2014 hat viele Belege dafür geliefert, dass Deutschland mehr und mehr zum Obrigkeitsstaat wird - was es ja die meiste Zeit seiner Geschichte gewesen ist. Nicht nur der Rundfunkbeitrag ist ein Beispiel für eine Regelung, die alle betrifft, zu der aber niemand gefragt worden ist, auch die Mautgebühr ist ein solches: Nicht nur, dass es bereits eine sehr hohe Steuer gibt, die zum Zweck der Verbesserung der Infrastruktur erhoben wird - die Mineralölsteuer -, es ist zudem offensichtlich, dass die geplante Erstattung über die Kraftfahrzeugsteuer nicht konform mit europäischem Recht ist - trotzdem setzt sich die Bundespolitik darüber hinweg und nimmt einen Rechtsstreit in Kauf, an dessen Ende mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit alle diese Abgabe werden zahlen müssen. Nur in diesem Fall wird der Rechtsstreit mit Brüssel ausgefochten werden. Dies wird Jahre dauern, in denen die neue Abgabe Realität werden wird. Wenn irgendwann in den nächsten Jahren nicht mehr wie angekündigt eine Erstattung über die Kraftfahrzeugsteuer erfolgen wird, wird die Bundesregierung dem Bürger vorgaukeln, daran sei Brüssel Schuld - was Nahe legt, dass dieses Resultat bei der höchst komplizierten Gestaltung der Abgabe bereits mit einkalkuliert worden ist. Erstaunlich auch die offenkundige Divergenz zum Rundfunkbeitrag: während dieser ja geräte- und nutzungsunabhängig eingezogen wird, wird die Maut nach Hubraum, also ganz besonders auf Nutzung und Gerät bezogen, erhoben. Auch die Reform der Erbschaftssteuer ist so ein Beispiel, da sie nicht nur Superreiche betreffen wird, wie dies zu ihrer Legitimation kolportiert wird, sondern jeden Eigentümer eines Familienunternehmens, also einen Großteil des Mittelstands - darunter viele Kleinbetriebe, wovon auch deren Verschuldungsfähigkeit betroffen sein wird. Auch die durch Frühverrentung offensichtlich gewordene Besteuerung von Riesterverträgen ist ein eklatantes Beispiel einer Politik, der es ausschließlich um Einnahmenmaximierung geht und nicht um das, was daraus finanziert wird. Dazu wird im neuen Jashr auch der außenpolitische Kurs die Ukraine betreffend gehören: ihr Haushalt wird - ähnlich wie der des Kosovo, aber in viel größerem Maßstab - auf Jahre hinaus von außen - also von der EU - finanziert werden müssen. 

In all diesen Fragen ist bürgerlicher Widerstand legitim und aufgrund der schweren möglichen Konsequenzen auch bitter notwendig. Auf dem Asylrecht herumzureiten, wie 'Pegida' dies tut, ist dagegen wenig konstruktiv. Denn zum einen gibt es nun einmal heute wesentlich mehr Konflikte und somit Flüchtlinge in der Welt als noch vor einigen Jahren, es ist daher nicht gerade abendländisch christlich oder patriotisch europäisch, sie abzulehnen und ein begründetes und im EU-Recht verankertes Recht auf Asyl in Frage zu stellen. Zum anderen ist dies primär ein soziales, materiell nicht messbares Problem, wohingegen sich politische Fragen wie die zuvor angesprochenen in Zahlen und Paragraphen ausdrücken lassen. Deshalb meine Bitte(n) zum Jahresausklang: Unterstützen Sie 'Pegida' nicht. Suchen Sie sich Bürgerinitiativen in Ihren Heimatorten, die sich fundiert und organisiert mit den Problemen beschäftigen, über die Sie sich sorgen. Investieren Sie mehr von Ihrer Freizeit, um mit Gleichgesinnten eine Veränderung dieser Zustände anzustreben. 'Pegida' mag einen Sinn erfüllen, nämlich als Inspiration für weitergehende, langfristige, themenbezogene Proteste zu dienen. Bleibt es jedoch bei der jetzigen Spaltung zwischen einem besserwisserischen Protestlager und einer besserwisserischen Politik, nützt dies am Ende keinem.

Sonntag, 30. November 2014

Aus der Ferne besehen ist alles (nicht so) schön

Inzwischen sind schon drei Monate seit meinem letzten Post vergangen, was daran liegt, dass ich wie angekündigt meine Emigration durchgezogen habe. Einen solchen Schritt sollte man natürlich nicht nur des Rundfunkbeitrags wegen machen, und bei mir haben persönliche Verbindungen und Perspektiven eine wichtigere Rolle gespielt. Wer einer Beschäftigung nachgeht, die er überall auf der Welt ausüben kann, und keine ortsgebundenen Bindungen hat, sollte sich schon Gedanken darüber machen, was einen eigentlich noch in Deutschland hält - dem einzigen EU-Mitglied, das gerade letzte Woche erst von der Europäischen Kommission wegen der Höhe seiner Steuern und Abgaben kritisiert worden ist. Wer seinen Wohnort nicht wechseln kann, aber wegen des Rundfunkbeitrags und anderer Dinge mit diesem Gedanken spielt, kann immerhin eine Sache sofort tun: Petitionen dagegen unterschreiben, soweit noch nicht geschehen: auf https://www.openpetition.de/petition /online/ard-zdf-so-gez-nicht-weiter-zahlungszwang-stop-rundfunkreform-jetzt
oder http://bit.ly/ARDZDFGEZ-2014-Peti

Der Rundfunkbeitrag ist dabei eher eine Marginalie, die allerdings erkennbar dem System folgt, eigentlich steuerrelevante Staatsausgaben per Abgabe komplett auf den Bürger abzuwälzen. So geschehen im Gesundheitswesen mit der Krankenversicherungspflicht, mit der Altersvorsorge im Rahmen der - sich zunehmend als zwecklos erweisenden - Riesterverträge, demnächst mit dem Verkehrswesen dank der Maut (die europarechtlich bedingt am Ende alle zu zahlen haben werden) und in naher Zukunft mit dem Bildungswesen. Auf diese Weise konnte eine schwarze Null für den nächsten Bundeshaushalt zusammengemogelt werden, während sich weltweit alle Volkswirtschaften beim Schuldenmachen überbieten, um ihre Währungen abzuschwächen und so wettbewerbsfähiger zu werden. Eine tatkräftige Regierung könnte aus dieser Konstellation - des Leitzinses wegen konnten sich Staaten noch nie so billig Geld leihen - eine Umgestaltung der wirtschaftlichen Verhältnisse mit Vollbeschäftigung realisieren. Da wir aber die wohl wirtschaftllich naivste Regierung seit Bestehen der Bundesrepublik haben, sahnen diesen Vorteil die anderen Eurostaaten ab, während die deutschen Bürger durch Zinstod, gewollte Inflation und eben neue Abgaben ausgetrocknet werden. 

Von diesem sinnfreien Mogeln abgesehen schließt der Rundfunkbeitrag den Hinweis auf sehr viel ernstere Probleme mit ein. Viele haben sich erst im vergangenen Jahr zum Widerstand gegen diese Regelung durchringen können, weil ihnen die viel diskutierte Tatsachenverfälschung bezüglich des Ukrainekonflikts aufgefallen ist. Dabei ist bei aller Kritik oft unbeachtet geblieben, dass die einseitige Betrachtung dieser komplizierten Angelegenheit nicht nur von den öffentlich-rechtlichen, sondern im Grunde allen Mainstram-Medien ausgegangen ist, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten EU. Man sollte also nicht nur dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Propagandafunktion unterstellen, sondern sich eher über den daraus sprechenden politischen Zeitgeist wundern, der nicht anders als elitär zu nennen ist. Die FAZ gibt derzeit online Faksimiles ihrer Ausgaben von vor 100 Jahren heraus, ein sehr löblicher Schritt, der einem die publizistische Denkweise im Krieg näher bringt - liest man dann die aktuellen Kommentare dort und in anderen Tageszeitungen, fragt man sich, ob wir nicht inzwischen wieder an einem solchen Punkt angelangt sind.

Wenn man den Originaltext der von der EU ausgesprochenen Sanktionen googelt, kann man erkennen, dass die Dimensionen und Auswirkungen des Ukraine-Konflikts nach wie vor von Politik, Presse und Bevölkerung unterschätzt werden, denn die darin ausgesprochenen Positionen sind genauso absolut wie die der Presse (u. a. ist die Krim demnach integraler Bestandteil der Ukraine, obwohl dies weder historisch noch politisch stimmt). Zugleich sind die gegen russische Einzelpersonen ausgesprochenen Reiseverbote von geringer Bedeutung, die zentral gesteuerte russische Energie- und Rohstoffwirtschaft wird nach China umgelenkt, während die Exportbeschränkungen gerade für deutsche Unternehmen schwerwiegend sind (wie man etwa am zwischenzeitlichen Kursverfall von Adidas ablesen konnte). Die EU hat sich - wohl nicht zuletzt wegen des Abschusses von MH17 - in eine Position manövriert, die keine Kompromisse mehr zulässt und Russland als einzigen Verantwortlichen der gesamten Problematik bezeichnet. Die EU wird daher die beileibe nicht unproblematische Haltung der ukrainischen Regierung - deren Präsident jüngst sogar von Kriegsbereitschaft gesprochen hat - mittragen (von der finanziellen Unterstützung dieses bankrotten Staats, die der ungarische Ministerpräsident letzte Woche mit 25 Mrd € jährlich eingeschätzt hat, abgesehen). Wer also die Zahlung von Rundfunkbeiträgen aufgrund der Einseitigkeit der Berichterstattung zu diesem Thema verweigert, sollte sich überlegen, seinen Widerstand in Form von Beteiligung an Demonstrationen und Aktionen gegen die EU-Politik auszuweiten - denn eine solche Gefahr hat Europa meines Erachtens lange nicht mehr erlebt. Dabei sehe ich Russland aus eigener Erfahrung kritisch und möchte nicht den Anschein erwecken, ein 'Putin-Versteher' zu sein (nur: was für ein dummer Begriff, als ob der größte Staat der Welt sich so einfach mit einer einzigen Person gleichsetzen ließe). 

Aber um etwas zum Thema zu sagen: seit meinem Weggang sind wieder einige rechtliche Dinge passiert. Zum einen hat das VG Freiburg die auch von mir zur Begründung der formellen Verfassungswidrigkeit angeführte Klage im September erstinstanzllich abgewiesen, aber Sprungrevision wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Verfahrens erlaubt. Hierfür müssen aber beide Seiten eines Rechtsstreits zustimmen, und darauf hat sich der SWR nicht eingelassen. Es musste also der normale Weg über Revision gewählt werden, den jeder wählen muss, der geklagt hat und die Abweisung nicht hinnehmen will. Es wird also doch Jahre dauern, bis die erste Klage vor dem Bunderverfassungsgericht landet - und eventuell wird sich die Bundespolitik bis dahin verändert haben. Denn: die in Thüringen gewählte Rot-Rot-Grün-Koalition wird definitiv zum Test für eine solche Konstellation auf Bundesebene. Die Linke wird in Thüringen bei der Neuauflage des Rundfunkstaatsvertrags unter Beweis stellen müssen, dass es ihr mit der Kritik an der sozialen Unverträglichkeit des Rundfunkbeitrags ernst ist, und sollte sie dies aufgrund einer besseren Vertretung eigener Positionen im MDR unterlassen, ist es äußerst fraglich, dass ein Regierungswechsel die jetzige Regelung kippt. Lediglich ein größerer Befreiungsspielraum für sozial Schwache ist denkbar, wie dies schon in den bisherigen Verfahren angesprochen worden ist, die grundsätzliche Entscheidungsfreiheit, on man Rundfunk überhaupt finanzieren will, wenn man ihn nicht nutzt, wird ohne Rechtsspruch nicht wieder eingeführt werden. Der Rundfunkbeitrag ist ein SPD-Projekt, es scheint daher unmöglich, dass eine Regierung mit SPD-Beteiligung daran rühren wird - und angesichts der gerade zu beobachtenden Selbstdemontage der AfD ist dies unwahrscheinlich. Da müsste die FDP schon von den Toten wiederauferstehen.

Warum erhalte ich meine Klage dann aufrecht? Ich muss wohl nicht befürchten, im Ausland zwangsvollstreckt zu werden, wenn meine Klage irgendwann nächstes Jahr abgewiesen wird. Aber man soll niemals nie sagen - eventuell möchte ich in einigen Jahren eine Zweitwohnung in Deutschland unterhalten, wenn meine Geschäfte dies erlauben. Möchte ich dann dafür Rundfunkbeiträge berappen müssen, obwohl ich mich dort nur bis zu 3 Monaten im Jahr aufhalten werde? Sicherlich nicht. Also entweder ich beteilige mich weiterhin am rechtlichen Widerstand, weil ich die Tür zur Heimat nicht endgültig schließen will - oder ich schließe sie. Für das nächste Jahr sehe ich größere Sorgen auf Deutschland zukommen - den weiteren Verfall des Euros durch denn Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB, der aber nichts weiter bringen wird, ein Neuaufflammen des Ukraine-Konflikts in größeren Dimensionen, eine lange überfällige große Korrektur der Finanzmärkte, die eine ebenfalls überfällige Korrektur des Immobilienmarkts nach sich ziehen wird. Aber ich wünsche mir natürlich, dass ich damit falsch liege, und den Lesern dieses Blogs eine bessere Entwicklung und ein Einsehen der Gerichte.

Soweit mein Lebenszeichen aus der Ferne, ich werde wieder einen Beitrag verfassen, wenn sich bezüglich meiner Klage etwas Neues ergibt.


Sonntag, 31. August 2014

Wahlzeit: Bestandsaufnahme - ausführliches Protokoll zu Potsdam

Nach langer Zeit wieder mal ein Posting... tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat. Das hat im wesentlichen drei Gründe:


1) Ich habe zwischenzeitlich den Entschluss gefasst, zu emigrieren. Das bringt jede Menge Arbeit mit sich. Ich hatte schon einmal angedeutet, dass ich dies für die einzig konsequente Reaktion auf den Rundfunkbeitrag halte, sofern dieser durchgewunken wird. Das ist natürlich nicht der einzige Grund, aber wenn man in allen anderen Mitgliedstaaten der EU nach wie vor die Wahlfreiheit hat, welche Medien man finanziert, und man seine Tätigkeit ortsungebunden ausführen kann - wozu dann bleiben?

2) Die Klage behalte ich selbstverständlich bei und habe die ganze Zeit an der Begründung getüftelt. Auf die werde ich in der nächsten Woche nochmal in einem gesonderten Posting eingehen. Das wichtigste in Kürze: Ich habe den formellen Vorbehalt doch wieder eingebaut, nachdem die im April stattgefundene Verhandlung in Freiburg immer noch nicht zu einer Urteilsverkündung geführt hat. Man muss ihn anfänglich bringen, um zu einem späteren Zeitpunkt darauf zurückkommen zu können. Zu den materiellen Vorbehalten zählt bei mir Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG (allgemein, informationelle Selbstbestimmung), Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitssatz), Art. 4 Abs. 1 GG (Gewissensvorbehalt), Art. 5 Abs. 2 GG (Informationsfreiheit), EMRK Art. 10 Abs. 1 (Meinungsfreiheit).

3) Die Reaktion auf die seit etwa zwei Monaten stattfindende Pfändungswelle enttäuscht mich ziemlich. Ungefähr 95% der Betroffenen wenden ihre ganze Energie in dieser Frage dem Versuch zu, der Abgabepflicht auszuweichen oder sie zu verschieben. Ich habe es schon gesagt und sage es noch einmal: es gibt langfristig keine Alternative zum Rechtsweg. Das einzige, was man erreicht, wenn man einen Gerichtsvollzieher los wird oder sich aus seiner Wohnung abmeldet: man verschiebt die Pfändung ein bisschen und fügt seinem Konto weitere Säumnis- und Mahnkosten hinzu, und/oder man begeht zusätzlich zur Ordnungswidrigkeit, die Abgabe nicht zu zahlen, eine weitere, indem man sich nicht meldet. Durch den Meldedatenabgleich kommt der 'Beitragsservice' sowieso an diese Daten ran. Die Unwilligkeit, diese sattsam bekannten Tatsachen zu akzeptieren, finde ich erstaunlich, zumal man gelassener wird, wenn man sich einmal für den Klageweg entschieden hat.

Zwischenzeitlich habe ich von der von mir beklagten Rundfunkanstalt ein Schreiben bekommen, nach dem sowohl die Vollstreckung der Forderung als auch die Entscheidung über den von mir eingereichten 2. Widerspruch bis zum Abschluss des von mir angestrengten Verfahrens ausgesetzt werden. Es ist also schon so, wie ich von Anfang an dargestellt habe: Wer mit seinem Widerspruch gleichzeitig einen Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung stellt, hat bis Abschluss des Verfahrens Ruhe. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Forderung entfällt, und angesichts der bisherigen Urteile ist klar, dass man in der ersten Instanz unterliegen wird und nach Urteilsverkündung die Forderung zu begleichen hat - das 1,1fache des Streitwerts übrigens. Aber: Säumniszuschläge dürften die Anstalten für Forderungen, die nach Einreichen der Klage auflaufen, nicht veranschlagen, das wäre wiederum ein Klagegrund. Würden also wirklich Tausende Klage einreichen, dann würden sich die Zahlungsausfälle für die Rundfunkanstalten so bemerkbar machen, dass die Politik darauf mit einem Kompromissvorschlag reagieren dürfte. Aber man muss leider sagen, dass die Einschüchterungs- und Desinformationsversuche der Rundfunkanstalten gegenüber einer Öffentlichkeit, die sich der Tragweite dieses Grundrechtseingriffs nicht bewusst geworden ist, sehr gut funktionieren.


Dazu gehört natürlich auch die Sammelverhandlung vor dem Verwaltungsgericht Potsdam am 19. August. Ich habe die Gelegenheit genutzt, selbst an dieser teilzunehmen; obwohl dies verschiedentlich schon geschehen ist, möchte ich nochmal zusammenfassen, was dort im einzelnen passiert ist:

Vor Beginn wurden die Anwesenden von einem Kameramann des RBB gefilmt. Einzelne beschwerten sich darüber, aber vor Beginn und nach Abschluss einer öffentlichen Veranstaltung ist dies zulässig. 

Der vorsitzende Richter erläuterte, dass es sich entgegen Darstellungen im Internet nicht um eine Massenverhandlung handle, die gemeinsame Verhandlung einen Erfahrungsaustausch ermögliche, und dass zwei Kläger nicht anwesend seien. 

Die Protokollführerin listete die Klagebegründungen auf: formelle Grundlage nach Art. 105 GG; negative Informationsfreiheit nach Art 5. Abs 2. GG; informationelle Selbstbestimmung, Normenklarheit nach allg. Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, Verstoß gegen Übermaßverbot, Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 wegen Gleichbehandlung unterschiedlicher Nutzungsintensität und -möglichkeit und Haushaltsgröße; unbestellte Leistung nach § 241a) BGB; Verletzung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG; Verletzung der Wohnung nach Art. 13 GG, da auch Rundfunk die Wohnung nicht gegen den Willen des Bewohners betreten darf.

Der Richter listete die rechtlichen Grundlagen auf, nach denen das Gericht zu urteilen habe: die Landesverfassungsurteile in Rheinland-Pfalz und Bayern, das PC-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Demnach entstünde aus dem Rundfunkbeitrag keine zu hohe Belastung, niemand wird verpflichtet, das Angebot zu nutzen; der Richter gab an, selbst keinen Fernseher zu besitzen, aber den Beitrag zu bezahlen: "Ich sehe mich nicht dazu gezwungen, den Quatsch anzugucken". Es ginge um Zahlungspflicht, nicht um Nutzungszwang. Religionsfreiheit würde nicht tangiert. Die Typisierung durch den Anknüpfungspunkt der Wohnung sei zulässig, da es sich nicht um einen isolierten Vorgang handle. Es bestünde kein Unterschied zwischen dem Rundfunkbeitrag und anderen Beiträgen (was falsch ist, da andere Beiträge für Sachleistungen erbracht werden). Das Sozialstaatsprinzip wäre durch Nachweispflicht für Befreiungstatbestände gewahrt. Die Rundfunkanstalten wären nicht dafür verantwortlich, dass Leistungsansprüche abgelehnt würden. Die allgemeinen Befreiungstatbestände seien nach § 4 RBStV mit sonstigen Härtefällen abgegolten. Eine großzügigere Handhabung wäre ausreichend, um Befreiungen aufgrund von Härtefällen zu erleichtern, dies sei aber Problem der Sozialämter; Zweitwohnungen wie Datschen sollten als sonstige Härtefälle befreit werden.

Die anwesenden drei Anwälte listeten daraufhin ihre Gegenargumente auf: Der Rundfunkbetrag sei effektiv eine Steuer, weil Ziel Erfassung der Allgemeinheit sei und ein Sachbezug fehle; die Typisierung sei unzulässig wegen Übergehen von Haushaltsgröße und Leistungsfähigkeit; Stichproben bei Nutzererhebungen würden mit der Bevölkerung gleichgesetzt, dadurch beruhe die Einschätzung der Nutzungsverbreitung auf einer nicht belastbaren Grundlage; eine Differenzierung zwischen Grundbetrag und Fernsehgebühr entfiele, dadurch fände eine Gleichsetzung von Nutzvorteilinhabern mit der Allgemeinheit statt; ein Empfangsgerät müsse beschafft werden, die Leistung sei also nur eingeschränkt nutzbar. 

Am Interessantesten waren die Ausführungen von Thomas Koblenzer, der zu meiner Überraschung eine Privatperson vertrat. Er bezog seinen Vorwurf einer fehlenden Gesetzgebungskompetenz der Länder nach Art. 105 GG auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu verfassungswidrigen Rückmeldegebühren an Berliner Hochschulen (Entscheid vom 6.11.2012, BVerfG AZ 2 BvL 51/06). Über den Zweck der Einnahme hinaus müsse deutlich erkennbar sein, welche Leistungen mit der Abgabe finanziert werden, sonst läge eine Verletzung der Normenklarheit vor. Eine Vorzugslast könne nicht mittelbar begründet werden, sondern nur unmittelbar. Die Wohnung als Anknüpfungspunkt der Abgabenpflicht entzöge der Abgabe den Sachbezug und würde damit eine legale Grauzone schaffen. Das Äquivalenzprinzip sei verletzt, weil nicht erkennbar sei, wofür die Mittel ausgegeben werden. In den landesverfassungsgerichtlichen Urteilen fehle dazu jeglicher Bezug.

Ein Kläger nutzte die Freigabe von Kommentaren durch den Richter zu der Bemerkung, dass steuerliche Nachweise für Selbstständige wegen schwankenden Einkommen nicht immer zu erbringen seien, eine praktische Befreiungsmöglichkeit sei dadurch nicht gegeben, man könne nicht pauschal auf Sozialämter verweisen.

Die zwei Anwältinnen des RBB brachten darauf die Gegenargumente vor: die Definition einer Steuer sei nicht allgemeine Zahlungspflicht, sondern dass keine Gegenleistung erbracht würde; der Rundfunkbeitrag sei ein Beitrag, weil die Möglichkeit der Nutzung bestünde; der Beitrag würde für die Gesamtveranstaltung Rundfunk bezahlt; Transparenz sei durch die Prüftätigkeit der KEF gewährleistet; die Typisierung sei notwendig, weil es sich um einen Massenvorgang handle; eine Differenzierung sei durch Abschöpfen des Vorteils gegeben - hierzu gab es ein wenig Tumult, da sie sich auf S. 30 des Urteils aus Rheinland-Pfalz bezogen und von einem Kläger aufgefordert wurden, die genaue Stelle zu benennen. Der Richter wies dies mit der Begründung ab, das Urteil sei überall einsehbar. Meine Überprüfung hat ergeben, dass der Passus, auf den sich die Anwältinnen bezogen, auf S. 40 im Abschnitt 3aa) steht.
 
Zum Sonderfall der Datschen, von denen es im Sendegebiet des RBB besonders viele gäbe, sei ein Kompromiss geschaffen worden, der berücksichtige, dass Datschen wegen ihrer Größe oder fehlender Wasser- oder Elektrizitätsversorgung nicht als Wohnung zugelassen seien; es würde daher nur ein halbes Jahr berechnet. Dem Kläger ging dies nicht weit genug, da der Sommer nur ein Quartal umfasse, und Anknüpfungspunkt der Wohnung auf Datschen nicht anwendbar sei, weil diese nicht bewohnt würden.

Die abschließenden Bemerkungen der Anwälte der Klägerseite waren: ein Massenvorgang könne nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass er verwaltungstechnisch leichter ist, dies stelle einen rechtlichen Rückschritt dar; der Zweck einer Abgabe müsse sich aus ihrer Ausgestaltung selbst ergeben, sonst drohe Gefahr der Schaffung von Schattenhaushalten. 

Der Richter informierte die Kläger darüber, dass ein Antrag auf Revision nicht allein ausreiche, sondern ein weitergehender Antrag auf Sachbehalt sinnvoll sei. Ein Anfechtungsantrag sei wegen niedrigerem Streiwert sinnvoller als ein Feststellungsantrag - ein Kläger hielt trotzdem an einem solchen fest.

Das Gericht zog sich daraufhin für zwei Stunden zur Beratung zurück.

Die Urteilsverkündung: die 1,1fache Summe wurde zur Begleichung der Forderung, der Streitwert bei fast allen Verfahren auf bis €300 festgesetzt - das ist das Minimum. Beim zusätzlichen Feststellungsantrag betrug der Streitwert (wenn ich richtig gehört habe) €691, daraus folgt, dass ein solcher in der Tat nicht sinnvoll ist, denn dessen Kosten werden zum Streiwert des Anfechtungsantrags hinzugerechnet.

Die Begründung des Urteils folgte den bisherigen Entscheiden: der Rundfunkbeitrag sei eine Vorzugslast, die Entscheide des Bundesverfassungsgerichts reichten aus; es seien keine grundsätzlich neu zu wertenden Umstände durch den RBStV entstanden; die Klägerseite hätte keinen Vortrag darüber gehalten, dass die Beitragsumstellung vor 3 Verfassungsurteilen zu Rundfunkgebühren erging (womit Verfahren zur PC-Gebühr gemeint sind); Ursachen für Verstimmungen über den Rundfunkbeitrag seien zu restriktive Auflagen für den Beleg von Härtefällen; die Rechtsmittelzulässigkeit (also die Berufung) wird bestritten; das einzig Neue am Rundfunkbeitrag sei die Frage, ob er eine Steuer sei, auf alle anderen Fragen hätte das Bundesverfassungsgericht bereits Antwort gegeben; alle anderen Vorbehalte seien nicht relevant.

Die wichtigsten Folgen für Kläger und Klagewillige daraus sind:

1) Die Chancen eines Erfolgs in der ersten Instanz sind null. Wer sich auf eine Klage einlässt, muss sich auf den Weg durch mehrere Instanzen einstellen. Dies war übrigens auch bei dem erwähnten Urteil so, durch das die Rückmeldegebühren an Berliner Hochschulen gekippt wurden, und ebenso bei der letztendlich erfolgreichen Klage gegen die Kürzung der Kilometerpauschale.

2) Da Rechtsmittel in der ersten Instanz nicht automatisch gewährt werden, muss zur Revision Zulassungsbeschwerde durch einen Anwalt bei der nächsthöheren Instanz gestellt werden. Diese dürfte gewährt werden, denn ansonsten besteht die Möglichkeit der direkten Verfassungsbeschwerde, da der Rechtsweg ausgeschöpt ist. Würde diese vom Bundesverfassungsgericht zurückgewiesen, stünde der Weg zu der Instanz offen, in der meiner Einschätzung nach endgültig über den Rundfunkbeitrag entschieden werden wird: dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.
 
Bei einer Anfechtungsklage ist mit einem geringeren Streitwert zu rechnen als bei Feststellungsklagen; hier lagen die Kosten bisher bei ca. €651-691. Das ergibt in der ersten Instanz ohne eigenen Anwalt Kosten von €262,68, mit eigenem Anwalt €420,36 zuzüglich Reisekosten. Gesetzt den Fall, man verfolgt den Rechtsweg über drei Instanzen, kämen dabei insgesamt €1537,42 zusammen. Daraus folgt für mich, dass ich meine bisherige Strategie beibehalte: erste Instanz ohne Anwalt, aber mit Beratung zum Verhandlungsergebnis.

Zu guter Letzt: die heutige Landtagswahl in Sachsen sowie die darauf folgenden würden einen Blick auf die parteipolitischen Positionen sinnvoll erscheinen lassen - wären diese nicht insgesamt so ernüchternd. Man kann eine Rangfolge der Schlechtigkeit ausmachen, nach der durch den Rundfunkbeitrag Vergrätzte ihre Wahlentscheidung treffen könnten, aber da dies am Ergebnis nichts ändern wird und ich mir den Vorwurf der Parteilichkeit ersparen will, kommentiere ich dies absichtlich erst am Wahltag:

- SPD: der Rundfunkbeitrag geht auf eine Initiative Kurt Becks zurück; die SPD profitiert in der Postenverteilung disproportional vom öfffentlich-rechtlichen Rundfunkwesen, da es nach wie vor gültige Absprachen darüber gibt, wer welches Parteibuch in welchem Amt bei bestimmten Rundfunkanstalten hat; die Idee in NRW, Rundfunkbeiträge sachfremd zur Förderung von lokalem Printjournalismus einzusetzen, stammt vom SPD-Politiker Marc Jan Eumann, ergo: wer den Rundfunkbeitrag ablehnt, sollte die SPD nicht wählen. Es wäre wohl eine gelinde Untertreibung, zu sagen, dass diese Partei ihre besten Zeiten hinter sich hat - mir erscheint sie so sozial und nötig wie ein Loch im Kopf.

- CDU: profitiert natürlich im selben Maße von der Kungelwirtschaft der öffentlich-rechtlichen Anstalten; der ehemalige Regierungssprecher Angela Merkels ist Intendant des BR; aber es gibt auch Zeichen von Dissenz, etwa in (vergangenen) Äußerungen vom Chef der Sächsischen Staatskanzlei Johannes Beermann, der nun allerdings im ZDF-Fernsehrat sitzt. Auf die Frage, wie der Wähler diese Tendenzen fördern könnte, habe ich allerdings keine Antwort, durch ein Kreuz auf dem Zettel wohl kaum; es scheint aber gerade in so konservativ dominierten Ländern wie Sachsen sinnvoll, CDU-Abgeordnete direkt auf das Thema anzusprechen.

- FDP: hatte in der Vergangenheit ein besseres Konzept zur Rundfunkfinanzierung, das einkommensbasiert gewesen wäre, redet davon aber nicht mehr; Parteichef Christian Lindner wurde in den ZDF-Fernsehrat gewählt, nachdem das Bundesverfassungsgericht auf Reduzierung politischer Vertreter entschieden hatte, also braucht man hier keinen Veränderungswillen zu erwarten. Die FDP wird ohnehin kaum überleben können.

- Grüne: Die medienpolitische Sprecherin der Grünen in Rheinland-Pfalz begrüßte das dortige Urteil des Landesverfassungsgerichts ohne zu erwähnen, dass sie freie Mitarbeiterin des ZDF ist; der sächsische medienpolitische Sprecher der Grünen Karl-Heinz Gerstenberg hat in einem Termin mit einer gegen den Rundfunkbeitrag aktiven Bürgergruppe die bekannte Position von 'einigen Unzufriedenen' wiederholt, denen man es nicht recht machen könne. Hier ist nichts zu erwarten, und die Grünen gehen insgesamt den selben Weg wie die SPD in die kungelige, mauschelnde Belanglosigkeit - bei gleichzeitigem Obrigkeitsanspruch.

- Piraten: haben sich durch persönlichen Egoismus und den Sprung von der Noch-Nicht-Ganz-Splitterpartei zur Möchtegern-Volkspartei selbst demontiert. Schade drum, aber dem Traum folgt das Erwachen. Man kann sich nach wie vor bei den Piraten engagieren, und wem das Thema wichtig genug ist, kann versuchen die durchaus existente, aber eingeschlafene Arbeitsgruppe zum Thema wiederzubeleben.

- AfD: versucht in Sachsen mit einer Positionierung gegen den Rundfunkbeitrag Stimmen zu sammeln, beruft sich dabei aber auf den Tatbestand der unbestellten Leistung nach § 241a) BGB. Von allen möglichen Klagegründen ist dies der schwächste, weil das BGB nicht das Grundgesetz ist - nur eine Verfassungswidrigkeit hebt den RBStV auf. Der Rundfunkbeitrag ist ein Verwaltungsakt, kein Dienstleistungsverhältnis durch Vertrag, es ist also sinnlos, sich auf ein Vertragsverhältnis, das nicht eingegangen worden ist, zu berufen. Also agiert die AfD entweder rein populistisch oder hat keine Ahnung, wovon sie redet - ich vermute eine Kombinatuion von beidem (Nachtrag: in Sachsen hat so etwas natürlich riesigen Erfolg).

- Die Linke: in punkto Rundfunkbeitrag ist nur bei dieser Partei ein alternatives Konzept (nach Vorbild der Kirchensteuer) und ein Wille zur Nachbesserung der sozialen Ungleichbehandlung durch den Rundfunkbeitrag erkennbar. Das liegt natürlich in erster Linie daran, dass sie fast überall in der Opposition ist, und dort wo sie an der Regierung war, hat sich bisher stets derselbe Kungel eingestellt wie sonst auch: ein Freund von mir hat in Berlin einen langen Rechtsstreit geführt, weil die Lehrstelle, auf die er hätte berufen werden sollen, an die (Ex)Lebensgefährtin des damaligen Kultursenators Thomas Flierl ging. Rechtlich ließ sich natürlich keine Korruption nachweisen. Ich erwähne dies nur, um klarzumachen, dass ich nicht unbedingt ein Fan der Linken bin, aber von woanders ist meiner Meinung keine Bewegung in dieser Frage zu erwarten - obwohl ein Regierungsbündnis mit Beteiligung der Linken nur mit der (würg) SPD gebildet werden könnte.

Auch dieser finstere parteipolitische Ausblick trägt zu meiner Bereitschaft bei, ins Exil zu gehen. Wer dies nicht beizeiten tut, wacht eines Tages womöglich in einer Diktatur auf, nur eben keiner mehr, in der es einen Führer und eine Partei gibt, sondern einer, in der es eine privilegierte Klasse von Staatsdienern gibt, und eine Klasse des diese mit immer mehr Abgaben und Steuern finanzierenden gemeinen, eingeschüchterten Volkes. Der Rundfunkbeitrag ist eine obrigkeitsstaatliche Maßnahme aus hegelianischem Rechtsverständnis heraus: Freiheit besteht darin, dass es Gesetze gibt, denen der Bürger gehorchen darf. Die Geschichte hat gezeigt, dass diese staatliche Haltung stets katastrophale Folgen hat. Die will ich nicht miterleben müssen, werde aber weiterhin durch diesen Blog - und wo es sonst geht - solidarisch sein.

Sobald meine Klage entschieden ist, werde ich für die Revision auf Crowd-Funding zurückgreifen - hierauf werde ich im nächsten Posting genauer eingehen.