Sonntag, 30. November 2014

Aus der Ferne besehen ist alles (nicht so) schön

Inzwischen sind schon drei Monate seit meinem letzten Post vergangen, was daran liegt, dass ich wie angekündigt meine Emigration durchgezogen habe. Einen solchen Schritt sollte man natürlich nicht nur des Rundfunkbeitrags wegen machen, und bei mir haben persönliche Verbindungen und Perspektiven eine wichtigere Rolle gespielt. Wer einer Beschäftigung nachgeht, die er überall auf der Welt ausüben kann, und keine ortsgebundenen Bindungen hat, sollte sich schon Gedanken darüber machen, was einen eigentlich noch in Deutschland hält - dem einzigen EU-Mitglied, das gerade letzte Woche erst von der Europäischen Kommission wegen der Höhe seiner Steuern und Abgaben kritisiert worden ist. Wer seinen Wohnort nicht wechseln kann, aber wegen des Rundfunkbeitrags und anderer Dinge mit diesem Gedanken spielt, kann immerhin eine Sache sofort tun: Petitionen dagegen unterschreiben, soweit noch nicht geschehen: auf https://www.openpetition.de/petition /online/ard-zdf-so-gez-nicht-weiter-zahlungszwang-stop-rundfunkreform-jetzt
oder http://bit.ly/ARDZDFGEZ-2014-Peti

Der Rundfunkbeitrag ist dabei eher eine Marginalie, die allerdings erkennbar dem System folgt, eigentlich steuerrelevante Staatsausgaben per Abgabe komplett auf den Bürger abzuwälzen. So geschehen im Gesundheitswesen mit der Krankenversicherungspflicht, mit der Altersvorsorge im Rahmen der - sich zunehmend als zwecklos erweisenden - Riesterverträge, demnächst mit dem Verkehrswesen dank der Maut (die europarechtlich bedingt am Ende alle zu zahlen haben werden) und in naher Zukunft mit dem Bildungswesen. Auf diese Weise konnte eine schwarze Null für den nächsten Bundeshaushalt zusammengemogelt werden, während sich weltweit alle Volkswirtschaften beim Schuldenmachen überbieten, um ihre Währungen abzuschwächen und so wettbewerbsfähiger zu werden. Eine tatkräftige Regierung könnte aus dieser Konstellation - des Leitzinses wegen konnten sich Staaten noch nie so billig Geld leihen - eine Umgestaltung der wirtschaftlichen Verhältnisse mit Vollbeschäftigung realisieren. Da wir aber die wohl wirtschaftllich naivste Regierung seit Bestehen der Bundesrepublik haben, sahnen diesen Vorteil die anderen Eurostaaten ab, während die deutschen Bürger durch Zinstod, gewollte Inflation und eben neue Abgaben ausgetrocknet werden. 

Von diesem sinnfreien Mogeln abgesehen schließt der Rundfunkbeitrag den Hinweis auf sehr viel ernstere Probleme mit ein. Viele haben sich erst im vergangenen Jahr zum Widerstand gegen diese Regelung durchringen können, weil ihnen die viel diskutierte Tatsachenverfälschung bezüglich des Ukrainekonflikts aufgefallen ist. Dabei ist bei aller Kritik oft unbeachtet geblieben, dass die einseitige Betrachtung dieser komplizierten Angelegenheit nicht nur von den öffentlich-rechtlichen, sondern im Grunde allen Mainstram-Medien ausgegangen ist, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten EU. Man sollte also nicht nur dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Propagandafunktion unterstellen, sondern sich eher über den daraus sprechenden politischen Zeitgeist wundern, der nicht anders als elitär zu nennen ist. Die FAZ gibt derzeit online Faksimiles ihrer Ausgaben von vor 100 Jahren heraus, ein sehr löblicher Schritt, der einem die publizistische Denkweise im Krieg näher bringt - liest man dann die aktuellen Kommentare dort und in anderen Tageszeitungen, fragt man sich, ob wir nicht inzwischen wieder an einem solchen Punkt angelangt sind.

Wenn man den Originaltext der von der EU ausgesprochenen Sanktionen googelt, kann man erkennen, dass die Dimensionen und Auswirkungen des Ukraine-Konflikts nach wie vor von Politik, Presse und Bevölkerung unterschätzt werden, denn die darin ausgesprochenen Positionen sind genauso absolut wie die der Presse (u. a. ist die Krim demnach integraler Bestandteil der Ukraine, obwohl dies weder historisch noch politisch stimmt). Zugleich sind die gegen russische Einzelpersonen ausgesprochenen Reiseverbote von geringer Bedeutung, die zentral gesteuerte russische Energie- und Rohstoffwirtschaft wird nach China umgelenkt, während die Exportbeschränkungen gerade für deutsche Unternehmen schwerwiegend sind (wie man etwa am zwischenzeitlichen Kursverfall von Adidas ablesen konnte). Die EU hat sich - wohl nicht zuletzt wegen des Abschusses von MH17 - in eine Position manövriert, die keine Kompromisse mehr zulässt und Russland als einzigen Verantwortlichen der gesamten Problematik bezeichnet. Die EU wird daher die beileibe nicht unproblematische Haltung der ukrainischen Regierung - deren Präsident jüngst sogar von Kriegsbereitschaft gesprochen hat - mittragen (von der finanziellen Unterstützung dieses bankrotten Staats, die der ungarische Ministerpräsident letzte Woche mit 25 Mrd € jährlich eingeschätzt hat, abgesehen). Wer also die Zahlung von Rundfunkbeiträgen aufgrund der Einseitigkeit der Berichterstattung zu diesem Thema verweigert, sollte sich überlegen, seinen Widerstand in Form von Beteiligung an Demonstrationen und Aktionen gegen die EU-Politik auszuweiten - denn eine solche Gefahr hat Europa meines Erachtens lange nicht mehr erlebt. Dabei sehe ich Russland aus eigener Erfahrung kritisch und möchte nicht den Anschein erwecken, ein 'Putin-Versteher' zu sein (nur: was für ein dummer Begriff, als ob der größte Staat der Welt sich so einfach mit einer einzigen Person gleichsetzen ließe). 

Aber um etwas zum Thema zu sagen: seit meinem Weggang sind wieder einige rechtliche Dinge passiert. Zum einen hat das VG Freiburg die auch von mir zur Begründung der formellen Verfassungswidrigkeit angeführte Klage im September erstinstanzllich abgewiesen, aber Sprungrevision wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Verfahrens erlaubt. Hierfür müssen aber beide Seiten eines Rechtsstreits zustimmen, und darauf hat sich der SWR nicht eingelassen. Es musste also der normale Weg über Revision gewählt werden, den jeder wählen muss, der geklagt hat und die Abweisung nicht hinnehmen will. Es wird also doch Jahre dauern, bis die erste Klage vor dem Bunderverfassungsgericht landet - und eventuell wird sich die Bundespolitik bis dahin verändert haben. Denn: die in Thüringen gewählte Rot-Rot-Grün-Koalition wird definitiv zum Test für eine solche Konstellation auf Bundesebene. Die Linke wird in Thüringen bei der Neuauflage des Rundfunkstaatsvertrags unter Beweis stellen müssen, dass es ihr mit der Kritik an der sozialen Unverträglichkeit des Rundfunkbeitrags ernst ist, und sollte sie dies aufgrund einer besseren Vertretung eigener Positionen im MDR unterlassen, ist es äußerst fraglich, dass ein Regierungswechsel die jetzige Regelung kippt. Lediglich ein größerer Befreiungsspielraum für sozial Schwache ist denkbar, wie dies schon in den bisherigen Verfahren angesprochen worden ist, die grundsätzliche Entscheidungsfreiheit, on man Rundfunk überhaupt finanzieren will, wenn man ihn nicht nutzt, wird ohne Rechtsspruch nicht wieder eingeführt werden. Der Rundfunkbeitrag ist ein SPD-Projekt, es scheint daher unmöglich, dass eine Regierung mit SPD-Beteiligung daran rühren wird - und angesichts der gerade zu beobachtenden Selbstdemontage der AfD ist dies unwahrscheinlich. Da müsste die FDP schon von den Toten wiederauferstehen.

Warum erhalte ich meine Klage dann aufrecht? Ich muss wohl nicht befürchten, im Ausland zwangsvollstreckt zu werden, wenn meine Klage irgendwann nächstes Jahr abgewiesen wird. Aber man soll niemals nie sagen - eventuell möchte ich in einigen Jahren eine Zweitwohnung in Deutschland unterhalten, wenn meine Geschäfte dies erlauben. Möchte ich dann dafür Rundfunkbeiträge berappen müssen, obwohl ich mich dort nur bis zu 3 Monaten im Jahr aufhalten werde? Sicherlich nicht. Also entweder ich beteilige mich weiterhin am rechtlichen Widerstand, weil ich die Tür zur Heimat nicht endgültig schließen will - oder ich schließe sie. Für das nächste Jahr sehe ich größere Sorgen auf Deutschland zukommen - den weiteren Verfall des Euros durch denn Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB, der aber nichts weiter bringen wird, ein Neuaufflammen des Ukraine-Konflikts in größeren Dimensionen, eine lange überfällige große Korrektur der Finanzmärkte, die eine ebenfalls überfällige Korrektur des Immobilienmarkts nach sich ziehen wird. Aber ich wünsche mir natürlich, dass ich damit falsch liege, und den Lesern dieses Blogs eine bessere Entwicklung und ein Einsehen der Gerichte.

Soweit mein Lebenszeichen aus der Ferne, ich werde wieder einen Beitrag verfassen, wenn sich bezüglich meiner Klage etwas Neues ergibt.